Heiko Neumeister

 

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Heiko, Deine Fotografien scheinen auf den ersten Blick nur ordinäre Aufnahmen der Umwelt zu sein. Erst beim näheren Betrachten wird der Charakter der Bilder deutlich. Möchtest Du eine intensivere Beschäftigung mit Kunst bewirken und der oberflächlichen Betrachtung die Stirn bieten?

Dass ich jetzt wieder fotografiere hat sich aus meinen Erfahrungen mit Malerei, Installation und vor allem Zeichnung heraus entwickelt. Es gab in diesem Sinne kein fotografisches Konzept, das ich entwickelt hätte und das ich nun fülle. Diese Fotos sind erst einmal fotografisch festgehaltene persönliche Fragestellungen: Momente oder Situationen die mir bedeutsam erschienen, in denen ich z.B. Prozesse der Gestaltung, die sich auch in Malerei und Zeichnung finden, festhielt, oder weitergehende räumliche Gestaltungs- und Verwaltungsprozesse wie knöllchenausstellende Politessen im städtischen Raum.
Es interessierte mich, wie die Bilddidaktik des Dokumentarfotos funktioniert, wann meine Wahrnehmungen selbst innerhalb dieser erklärenden Didaktik funktionieren, wann sie sich davon lösen und z.B. gar nichts Bestimmtes mehr fokussieren und wo sich Momente finden, in denen innerhalb des Bildes diese Prozesse bereits miteinander verzahnt sind, wo sich Konstruktionen in der Fläche des Fotos auflösen, oder das Foto ganz dokumentarisch die Auflösung einer Konstruktion beschreibt.
Des Weiteren fragte ich mich, inwieweit es sinnvoll ist, die Bildausschnitte sorgfältig zu wählen, im Sinne einer abstrakten Komposition, oder wann es besser ist, einfach draufzuhalten und die Fotos so unspektakulär und „naiv“ wie möglich aufzunehmen. Und schließlich war ich gespannt zu sehen, wie sich diese Bilder dann in einer Präsentation zueinander verhalten.

Insofern wollte ich sicher eine „intensivere Beschäftigung mit Kunst bewirken und der oberflächlichen Betrachtung die Stirn bieten“, allerdings eben zuerst einmal in Bezug auf meine eigene Wahrnehmungsfähigkeit.

Wenn man nun als Betrachter etwas genauer hinschaut, kann man eine ganze Reihe dieser Wahrnehmungen und Verknüpfungen nachvollziehen.

Was macht für Dich den Reiz der Fotografie gegenüber anderen Mitteln der Kunst aus?

Fotografie ist heutzutage ja ein weites Feld, das von der Spurensicherung über die Inszenierung bis zu vollständig am Computer gerenderten realistischen "Fotos" reicht.
Diese Form der traditionellen analogen Fotografie, die ich betreibe, die ohne Inszenierungen und gestalterische Computereingriffe auskommt, erscheint mir wie ein hochauflösendes Notizbuch für Momente, in dem manche Notizen so präzise sein können, dass sie in der Lage sind, recht weit reichende Aussagen über die Wahrnehmung und die wahrgenommene Welt zu machen.
Gleichzeitig handelt es sich um ein Buch in dem Sinne, dass man die Notizen immer wieder heranziehen kann.

Wie kann man sich Heiko beim Suchen nach dem nächsten Foto vorstellen?

Ich suche eigentlich gar nicht, sondern laufe viel herum und stolpere über Dinge oder mich oder beides.

Mal ganz abgesehen von den Fotos, die Du veröffentlichst – bist Du auch sonst jemand, der auf Konzerten, im Urlaub oder anderswo ständig die Kamera zückt?

Nein.

Befreundete Fotografen haben mir gesagt, dass sie den Drang, fotografieren zu müssen, manchmal als Last empfinden, weil dadurch die Magie, die Besonderheit eines Momentes für sie völlig verloren geht, da sie sich in dem Moment, wo er stattfindet, hinter der Kamera befinden. Geht Dir das auch so?

Dass ich jetzt wieder fotografiere, ist eigentlich ein Unfall.
Vor meinem Studium habe ich sehr viel schwarz/weiß fotografiert.
Dabei stellte ich fest, dass ich ganze Zeiträume eigentlich völlig verpasst hatte, weil ich etwas abgeblendet immer auf der Suche war nach besonderen ästhetischen Attraktionen im Graubereich und den Rest der Zeit zwischen den Chemiebädern im Keller verbrachte.
Ich schwor mir, keinen Fotoapparat mehr anzufassen.
Das ging immerhin fast acht Jahre lang gut, bis nach meinem Diplom, das ich mit am Computer hergestellten Malereien und Malereivideos bestritt.
Als ich danach anfing, meinen Lebensunterhalt mit Bildschirmarbeit zu verdienen und Stunden täglich mit Fotomontagen hinterm Agenturrechner verbrachte, fiel es mir sehr schwer, auch in meiner Freizeit noch weiter eine „virtuelle“ Bildherstellung zu betreiben. Ich ging viel spazieren und fotografierte dabei was mir auffiel, was ich nicht vergessen wollte, was ich nicht verstand, und war ziemlich bald verblüfft, dass all die Prozesse, die im so genannten Second Life - der „virtuellen Realität“ - vorhanden sind, auch im First Life existieren, bloß dass sie im "wirklichen Leben" viel komplexer, verschränkter und bereicherter auftreten.
Ich nahm deshalb auch sehr viele Detailfotos auf – um langsam, wie bei einer persönlichen Beweisführung, dahinter zu kommen, was eigentlich los ist, bzw. was eben bestimmt nicht los ist.

Von daher hat sich meine Situation hinter der Kamera geändert: ich stelle die Fragen, auf die ich beim Spazieren stoße, indem ich fotografiere und beantworte manche dieser Fragen dann ebenso.
Im Gegensatz zur Zeit vor dem Studium ist es nun nicht mehr der Fotoapparat, dem sich meine Wahrnehmung unterordnet, sondern ich mache, meine Wahrnehmung im Allgemeinen betreffend, situationsbedingte Notizen mit der Kamera.
Und wenn ich z.B. mit Freunden unterwegs bin, bin ich viel mehr an der Unterhaltung und der Stimmung unter uns interessiert als daran, mich auf meine weitere Umgebung zu konzentrieren, weshalb dann kaum Fotos entstehen.
Allerdings sind die Auswahlgrenzen im wirklichen Leben oft etwas unschärfer als am Computer.

Hast Du in Deiner eigenen Wohnung Fotografien hängen?

Bei mir liegen und hängen einfach viel zu viele meiner aktuellen Fotos herum als dass da noch Raum wäre für andere, die müssen dann eben in meinem Kopf Platz finden.